Nach den Regeln
Das Shuttle brauchte nur 27 Minuten von der Planetenoberfläche bis zum im Orbit befindlichen Kreuzer. Die Ægir hatte eine Gesamtlänge von 1700 Metern und war das persönliche Flaggschiff von Großadmiralin Gudrun Olafsdottir, der amtierenden Oberkommandierenden der Koalitionsflotte. Die Koalition von Cygnus war gerade in eine Auseinandersetzung mit der Antares-Föderation verwickelt und wollte mit dem von Olafsdottir geführten Flottenverband Stärke zeigen.
Major Kronn saß auf dem Copilotensitz des Shuttles und betrachtete die Ægir, während der Kreuzer vor ihnen immer größer wurde.
„Wie lange sind Sie schon Liaison für die Großadmiralin?“ wollte der Pilot wissen.
„Gar nicht. Ich gehöre nicht zum diplomatischen Corps.“
„Oh, dann sind Sie…“
„Ja.“
Das beendete das Gespräch. War immer so. Leute wurden in seiner Gegenwart einfach nervös und etwas paranoid. Die letzten Minuten vor dem Landeanflug verbrachten sie schweigend, dann meldete sich der Bordkommunikator:
„Shuttle Kelos, hier Ægir, erfassen Sie unseren Leitstrahl und gehen Sie auf Autopilot, wir steuern Sie in Hangar 9. Ich muss Sie darauf hinweisen, dass Zuwiderhandlung sofortige Feuereröffnung zur Folge hat.“
Militärisches Standartprotokoll dachte sich Kronn.
„Ægir, hier Shuttle Kelos, habe verstanden und schalte auf Autopilot.“
An Bord wartete bereits ein Leutnant der Flotte, um Kronn vom Hangar zur Brücke zu begleiten, während das Shuttle zum Planeten zurückkehrte.
Großadmiralin Olafsdottir stand vor der Phalanx aus Holo-Schirmen, die die direkte Umgebung des Kreuzers, sowie eine taktische Karte des Sonnensystems zeigten, als der Leutnant und Kronn die Brücke betraten. Ihre blonden Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten. Sie war etwas größer als Kronn, ihre fernen Vorfahren hatten sich auf die Ozeane der alten Erde hinaus gewagt und waren in Drachenschiffen bis nach Amerika gekommen. Jetzt war ihre Familie bereits seit vielen Generationen dabei, die Galaxis zu durchkreuzen.
„Ah, Major. Ich dachte mir, dass die Interne Sicherheit jemanden schicken würde. Wie geht es ihnen? Ist aus der Sache auf Helostra noch etwas geworden?“
Olafsdottirs Frage bezog sich auf ihr letztes Zusammentreffen, damals hatte Sie Kronn und ein Kommando des Geheimdienstes, offizieller Name Interne Sicherheit, auf Helostra abgesetzt, um Gerüchten um illegalen Handel mit Kriegswaffen nachzugehen.
„Tut mir leid, Großadmiral, Sie wissen ja, wie das ist. Es ist aber gut, dass ich wieder mit Ihnen zusammenarbeiten kann.“
„Ganz meinerseits, Herr Major.“ Sie wandte sich dem Offizier an der Navigationskonsole zu.
„Steuermann, setzen Sie Kurs auf Delta Persei. Und benachrichtigen Sie den Verband. Alles transitionsbereit.“
Der Steuermann nickte, seine Hände glitten über die Konsole.
Tief im inneren des Schiffs begannen die Hawking-Generatoren zu brummen und einen Augenblick später verschwand der Planet unter ihnen, die Sonne und das gesamte normale Universum und wurde von der Realität des N-Raums ersetzt, den die Schiffe zum Überlichtflug nutzten.
Die Transition bis Delta Persei würde etwas mehr als zwei Tage dauern, genug Zeit, für Kronn, sich noch einmal mit der Situation zu beschäftigen. Er begab sich in die ihm zugeteilte Kabine.
Sowohl die Koalition von Cygnus als auch die Antares-Föderation beanspruchten einige unbewohnte Systeme im gemeinsamen Grenzgebiet für sich . Die Auseinandersetzungen bestanden bisher lediglich aus kleineren Gefechten von Konzerntruppen aus den jeweiligen Machtblöcken, sowie zwischen Prospektoren und einigen Freihändlern, die aus dem Gebiet des einen oder anderen Blocks heraus operierten. Allerdings waren einige der Systeme sehr ressourcenreich, was auch den militärischen Aufwand der Koalition für dieses diplomatische Treffen erklärte. Die Föderation würde wahrscheinlich einen ähnlichen Verband schicken.
Delta Persei war als Treffpunkt gewählt worden, weil das Doppelsternensystem von niemandem beansprucht wurde und von beiden Parteien ähnlich leicht zu erreichen war.
Die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Auseinandersetzung wurde vom Flottenkommando auf unter 20% eingeschätzt. Das gefiel Kronn sehr. Ein etwas entspannterer Auftrag als das, was er gewöhnlich zu erledigen hatte. Major Kronn griff in die Innentasche seiner Uniformjacke und nahm den flachen Holoprojektor darin heraus. Er war nicht einmal halb so groß wie seine Handfläche und flach und biegsam wie eine Spielkarte. Er schnippte den Projektor gekonnt auf den kleinen Tisch vor seinem Bett, wo dieser sofort zum Leben erwachte und Hologramm eines der möglichen Gesandten der Antares-Föderation zeigte. Daneben erschien ein Dossier mit allen Daten, über die die Innere Sicherheit der Cygnus Koalition zu dieser Person verfügte. 34 Dossiers, die es zu analysieren galt. Vorbereitung war alles.
49 Stunden später saß er neben Großadmiralin Olafsdottir auf der Brücke, sie würden jeden Moment aus dem N-Raum zurück ins Standartuniversum zurückfallen. Zuvor war er mit Olafsdottir nochmals die Dossiers der möglichen Diplomaten und Militärs durchgegangen auf die sie jetzt treffen würden. Die Großadmiralin trug jetzt in Vorbereitung des Treffens eine altertümliche Sehhilfe. Sie nannte es Monokel, hatte es vor das rechte Auge geklemmt und gesagt, es sei ein Familienerbstück, das Glück bringe.
„Noch eine Minute bis zum Rücksturz.“ verkündete der Steuermann.
Kronn konzentrierte sich auf den taktischen Holo-Schirm, der ihren Kurs bis zum erreichen der Zielkoordinaten zeigte.
„Dreißig Sekunden.“
„Nun, Major, sehen wir, ob wir heute ein kleines Kapitel in der Geschichte der von uns besiedelten Galaxis schreiben, und ob es ein gutes wird. Wenn es ein gutes wird, schreibe ich ein Gedicht über den Tag, wenn es kein gutes wird, vielleicht zwei.“
„Rücksturz!“
Übergangslos erschien der normale Weltraum und die Delta Persei Doppelsonne dominierte die vorwärts schauenden Sichtfenster und Holo-Schirme.
„Kampfhandlungen!“ kam der Alarmruf der taktischen Offizierin. „Geschwader der Antares-Föderation im Kampf mit einer zahlenmäßig überlegenen Flotte aus kleineren Schiffen. Sehr heterogen. Wahrscheinlich Piraten.“
Drei Holo-Schirme wechselten abrupt das Bild und zeigten taktische Displays des stattfindenden Gefechts, Analysen und mögliche Ausgangsszenarien.
„Das wird knapp…“ kommentierte Olafsdottir, dann markierte sie über ihre Handschuhe zwei Punkte auf einem der Schirme, der das Gefecht zeigte.
„Ægir an Dain, fertig für Oktopus-Manöver in 10 Sekunden.“
„Hier Dain.“ kam es über die Lautsprecher. „Verstanden. Bis zum Abgrund und zurück!“
„Bis zum Abgrund und zurück!“ wiederholte die Großadmiralin.
Ein Ruck ging durch die Amadioha. Das Hologramm, das den Zustand des Kreuzers anzeigte wechselte die Farbe im Triebwerksbereich von grün zu gelb.
„Zwei Einschläge am Steuerborttriebwerk, mittlerer Schaden. Triebwerksleistung 63%“
„Mit Steuertriebwerken ausgleichen. Torpedo-Fächerschuss auf die sich formierenden Kleinraumer.“
„Kapitän, wir haben nur noch genug Torpedos für zwei Salven!“
„Dann treffen wir besser mit jedem. Feuer!“ befahl Kapitän Ezuruonye
Am Bug der Amadioha flackerten kurz sechs Lichter, die den Übergang der Torpedos in den N-Raum markierten.
Commander Ifeanyi Edochie zählte im Kopf mit. Kurz bevor sie bei drei angekommen war, detonierten die Torpedos zwischen den kleineren Piratenschiffen.
„Direkter Einschlag auf zwei Schiffen, drei weitere im Wirkungsradius.“ meldete der Offizier an der Feuerleitkonsole.
„Nsude meldet schwere Schäden am Antrieb und Schiffe auf Kollisionskurs.“
„An alle Schiffe in Reichweite, unterstützt Nsude.“
Delta Persei als Treffpunkt zu wählen schien bis vor Kurzem eine hervorragende Idee. Das System wurde von niemandem beansprucht, bot keine nennenswerten Ressourcen und es hatte niemand davon ausgehen können, dass ausgerechnet hier Piraten eine Basis errichtet hatten. Das Geschwader um die Amadioha war mitten in sie hinein geflogen. Die Piraten waren ebenso überrascht wie die Schiffe der Antares-Föderation gewesen, hatten aber sehr schnell gemerkt, dass sie zahlenmäßig weit überlegen waren und das ihre schlechtere Kampfkraft gegenüber des Militärverbandes teilweise aufwog. Bisher hatte sich das Antares-Geschwader gut geschlagen, aber zwei der Geleitzerstörer hatten schwerere Schäden erlitten und liefen Gefahr, von den Piraten geentert zu werden. Botschafter Okereke hoffte, dass die Schiffe der Cygnus Koalition bald eintreffen würden, gemeinsam würden sie den Piraten ein schnelles Ende bereiten .
Als sei es eine Antwort der Galaxis auf seine Gedanken, erschienen plötzlich Torpedodetonationen zwischen der Nsude und einem der Piratenschiffe und in der Nähe eines der größeren Einheiten der Piraten. Nur einen Augenblick später, die Detonationswolken hatten sich noch nicht vollkommen aufgelöst, brachen an genau den selben Stellen ein schwere Kreuzer der Koalition und eine Fregatte aus dem N-Raum und eröffneten das Feuer auf die Piraten. Eines der Schiffe, das gerade noch auf Kollisionskurs mit der Nsude gewesen war, flog nun direkt in eine Breitseite der Dain und verging in einer Feuerwolke. Das größte Schiff der Piratenflotte, ein zum Kriegsschiff umgebauter Großfrachter, verlor seine Triebwerkssektion nach mehreren direkten Treffern von der Ægir und begann ziellos im All zu treiben.
Den übrigen Piraten wurde schnell klar, dass sie gegen drei große Kriegsschiffe, zwei davon völlig unbeschädigt, und mehrere leichtere aber ebenfalls kampfstarke Einheiten keine Chance hatten. Die Schiffe, die Überlichttriebwerke besaßen, verschwanden innerhalb von Sekunden und ließen ihre weniger gut ausgerüsteten Kameraden zurück.
„Nachricht vom Koalitionskreuzer Ægir, Kapitän.“
„Auf den Hauptschirm.“
Das Bild des Hauptschirms zeigte jetzt die Brücke der Ægir. Vorne stand Großadmiralin Olafsdottir und Major Kronn.
„Ah, Kapitän Ezuruonye, wie schön sie wohlauf zu sehen. Benötigt ihr Verband technische oder medizinische Hilfe?“
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Großadmiral.“ erwiderte Kapitän Ezuruonye. „Wir erhalten noch Berichte unserer anderen Schiffe. Wenn eines der ihren der Nsude bis auf Weiteres Geleit geben könnte, wären wir Ihnen allerdings sehr zu Dank verpflichtet.“
„Selbstverständlich, die Brokkr ist bereits auf dem Weg. Wollen Sie vielleicht inzwischen zu uns an Bord kommen, damit wir mit den Gesprächen beginnen können?“
„Leider nicht. Für die Verhandlungen sind Botschafter Okereke und Commander Edochie zuständig. Sie kommen per Shuttle zu ihnen.“
Wenig später standen Olafsdottir und Kronn an der Spitze der Ehrengarde im Hangar und erwarteten die Ankuft des Shuttles von der Amadioha.
Kronn fasste nochmal zusammen, was in den Dossiers zu Okereke und Edochie stand:
„Okereke ist einer ihrer besten Diplomaten. Kann anscheinend reden wie kein zweiter. Verheiratet, drei Kinder. Hobbies unter anderem Musik. Er spielt vier Instrumente und schreibt Lieder. Sehr bodenständig. Keine Skandale in seiner gesamten Karriere. Trinkt keinen Alkohol, raucht nicht oder genießt andere Mittel. Es war sehr leicht, sein Dossier anzufertigen. Er macht aus seinem Leben kein Geheimnis, wahrscheinlich deshalb, weil es dort nichts gibt, das für Geheimdienste interessant wäre.“
Olafsdottir nickte.
„Edochie dagegen ist ein Mysterium. Wir wissen, dass sie ein Segment des Flottengeheimdienstes kommandiert, aber wir wissen nicht welches. Wir wissen nichts weiter über sie. Nicht einmal, wie sie aussieht.“
„Dann lassen wir uns überraschen, Major. Lange müssen wir ja nicht mehr warten, bis wir wissen, wie Commander Edochie aussieht. “ Sie nickte in Richtung des Kraftfelds, dass den Hangar vor dem Vakuum des Weltraums schützte. „Da kommt das Shuttle.“
Das Shuttle war von der gleichen grundsätzlichen Bauart wie das, mit dem Kronn auf die Ægir gekommen war. Atmosphärenflugtauglich und zur schnellen Überbrückung von Kurzstrecken. Es sah aus wie ein gedrungenes Düsenflugzeug. Zusätzlich hatten es die Ingenieure der Antares-Föderation äußerlich den kulturellen Vorlieben der Föderation angepasst. Das Farbschema und die Verzierungen zeigten einen deutlichen afrikanischen Einfluss.
„Aaachtung!“ Die Ehrengarde stand stramm, als das Shuttle eine Rampe unter dem Cockpit ausfuhr und sich dort eine Tür öffnete. Ein traditionell gekleideter, großer Mann, dessen Vorfahren einst in Afrika gelebt hatten, schritt, etwas auf einen Gehstock gestützt, die Rampe hinunter. Eine Frau gleicher Herkunft in einer Uniform der Föderation, die keinerlei Abzeichen hatte, begleitete ihn.
„Botschafter Okereke, Commander Edochie,“ begann Großadmiralin Olafsdottir, „ich heiße Sie an Bord des Kreuzers Ægir willkommen. Alle Annehmlichkeiten an Bord stehen Ihnen zur freien Verfügung.“
„Danke, Großadmiral.“ entgegnete Okereke und reichte ihr die Hand. „Ich darf Ihnen außerdem den Dank des ganzen Geschwaders für Ihre Unterstützung ausrichten. Ihr Auftauchen hat viele Leben gerettet.“
„Wir haben unsere Pflicht als Mitglieder einer zivilisierten Gesellschaft getan.“
„Selbstverständlich. Großadmiral, darf ich Ihnen meine Begleiterin Commander Edochie vorstellen.“
„Sehr erfreut. Endlich wissen wir, wie sie Aussehen, Commander. Ich kann Sie zu Ihren Künsten in Sachen Geheimhaltung nur Beglückwünschen.
„Darf ich Ihnen Hauptmann Kronn von der Internen Sicherheit vorstellen?“
„Botschafter, Commander, es ist mir eine Ehre.“
Kronns erster Gedanke, als er Commander Edochies Hand schüttelte war Märchenprinzessin und er hoffte inständig, dass man ihm das nicht ansah.
Kurze Zeit später saßen alle vier im großen Konferenzraum des Kreuzers und studierten die Karte der Grenzregion, die zum Zankapfel zwischen den beiden Machtblöcken geworden war.
Um den Tisch schwirrten immer wieder zwei Kugelförmige Servierdrohnen mit mehreren Armen, die die Gläser der Verhandlungspartner gefüllt hielten. Edochie hatte beide und das Nahrungsausgabeterminal des Raumes eingehend untersucht und für sicher befunden.
Olafsdottir schritt um den Tisch herum und blieb neben Okereke stehen. Dann nahm sie etwas theatralisch ihr Monokel vom Auge und begann es zu putzen.
„Botschafter, das ist ein ganz vorzüglicher Gehstock, den Sie bei sich tragen. Ist das eine Maßanfertigung für Sie?“
Okereke lächelte. „Nein, ein Familienerbstück.“
„Welch ein Zufall. Mein Monokel ist ebenfalls ein Familienerbstück.“
„Prächtig! Ich denke, das wird die Verhandlungen doch sehr verkürzen.“
Kronn und Edochie sahen sich über den Tisch hinweg verwirrt an. Was war das für eine seltsame Konversation, die die Großadmiralin und der Botschafter da hatten? Es wurde für beide aber nur noch verwirrender. Okereke und Olafsdottir fingen an, sich kodiert zu unterhalten.
„Zwei von drei?“ fragte Okereke.
„Drei aus fünf.“ erwiderte Olafsdottir.
„Kopf oder Zahl?“
„Zahl.“
Okereke griff in seine Hose und holte eine Münze heraus, die er kunstvoll in die Luft schnippte. Sie drehte sich mehrere Male in der Luft, bevor sie auf der Tischplatte aufprallte, noch einen kurzen Sprung machte und dann liegen blieb.
„Kopf, verehrte Großadmiralin. Also zwei von drei.“
„Verzeihen Sie…“ begann Major Kronn.
„… was geht hier vor sich?“ beendete Commander Edochie den Satz für ih n.
Okereke grinste breit. „Ladies first.“
„Nun, kurz gesagt, wir werden diese Angelegenheit wie Gentlemen lösen“ erklärte Großadmiralin Olafsdottir.“Was das genau bedeutet, können wir ihnen beiden später noch sagen, wenn das hier vorbei ist. Sagen wir, der Botschafter und ich gehören beide einer Gemeinschaft mit langer Tradition an. Es wird ein Wettkampf aus drei Aufgaben geben. Eine wählt der Botschafter, eine ich und eine ein zufällig ausgewählter Arbitrator.“
Sie nickte den Botschafter zu, dieser führte weiter aus.
„Der Gewinner des Wettkampfes wird das Recht erhalten, eine Anzahl Systeme aus der umstrittenen Region für seine Seite zu wählen, dann der Unterlegene, dann wieder der Gewinner und so weiter, bis alle Systeme aufgeteilt sind. Welche Anzahl das ist, legt der Arbitrator fest. Das spart Zeit, Ressourcen und verhindert einen interstellaren Konflikt.“
„Und alles ist fair play.“ ergänzte die Großadmiralin.
Kronn und Edochie nickten nur ungläubig.
„Was ist ihre Wahl, werte Großadmiralin?“
„Fechtduell , und Ihre, Botschafter?“
„Klassischer Tanz.“
„Gut, dann sollten wir den Arbitrator kontaktieren, damit wir hoffentlich eine Antwort haben, wenn wir hier fertig sind.“
Olafsdottir verließ den Konferenzsaal für einige Minuten. Als sie zurück kam, verkündete sie:
„Der Arbitrator ist informiert. Botschafter, Major, Commander, wenn sie mir alle bitte zum zu den Virtual-Pods folgen wollen, damit wir mit dem Duell beginnen können.“
Die Virtual-Pods waren ein Mittelding zwischen Unterhaltungsmedium und Traningseinheit. Sie gaben ihren Insassen volle Bewegungsfreiheit und projizierten um diese herum eine virtuelle Umgebung, die beliebig gewählt werden konnte. Dabei war es selbstverständlich auch möglich, mehrere oder alle Pods zu verbinden.
Jetzt saßen oder standen alle vier in je einem Pod. Kronn und Edochie waren Zuschauer im Innenhof einer Burg, in dessen Mitte Olafsdottier und Okereke standen. Der Botschafter hielt ein Rapier, die Großadmiralin einen Säbel. Beide salutierten einander mit ihren Waffen, dann begann das Duell. Kronn war überrascht, dass Okereke überhaupt in der Lage war, der Großadmiralin Paroli zu bieten, die für ihre Fechtkünste in der Flotte der Koalition bekannt war. Tatsächlich gelang es dem Botschafter fast alle der wuchtigen Schläge von Olafsdottir zu parieren und sie einige Male mit flinken Stößen seines Rapiers in Bedrängnis zu bringen, insgesamt dominierte Olafsdottir aber das Duell. Sie war es auch, die nach einigen Minuten von einer synthetischen Stimme zur Siegerin erklärt wurde. Gleich darauf wechselte die Szene.
Sie standen jetzt in einem großen Saal, umgeben von simulierten Personen in historischen Gewändern. Kronn ließ sich kurz die Daten der Szene einspielen. Wien, 1897. Es würde Walzer getanzt werden und Kronn würde sich diese Gelegenheit selbst nicht entgehen lassen. In seinem Pod glitten seine Finger über die Steuerkonsole, während er das Zentralarchiv der Ægir durchsuchte. Er fand was er wollte und lud die entsprechenden Daten in sein erweitertes Gedächtnis. Er hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft. Auch dieses Mal hatte die Simulation vorgesehen, dass er und Edochie nur Zuschauer sein sollten, er sah das anders. Er stand auf, stellte sich vor Commander Edochie und verneigte sich leicht.
„Darf ich um die Ehre dieses Tanzes bitten?“
Zuerst schaute die Geheimdienstoffizierin überrascht, dann lächelte sie. „Ich kann zwar keine europäischen Tänze, aber sehr gerne.“
Die Musik begann zu spielen und Kronn führte Edochie auf die Tanzfläche. Er musste sich sehr darauf konzentrieren, gleichzeitig auf die in sein Gehirn geladenen Walzerdaten zuzugreifen und Edochie zu führen, die sich zunächst schwer tat, dann aber ein immer besseres Gefühl für die Musik und den Ablauf des Walzers bekam. Beim dritten Stück, tanzten Kronn und Edochie wirklich zusammen. Dann ertönte wieder eine synthetische Stimme und erklärte Okereke zum Sieger dieses Duells. Die Pods öffneten sich. Bevor sie aussteigen konnten, meldete sich Olafsdottir über die interne Kommunikation der Pods.
„Ich schlage vor, wir machen uns alle frisch und treffen uns in 20 Minuten in meinem Bereitschaftsraum bei der Brücke. Commander, Botschafter, ich habe ihnen die Stadorte der Gästekabinen, die ihnen zugeteilt wurden gerade übermittelt.“
20 Minuten später betraten sie gemeinsam den Bereitschaftsraum, der Comm-Bildschirm zeigte bereits eine Nachricht:
Ich, Julius Rutherford, amtierender Erz-Gentleman dieses Sektors bestimme hiermit folgende finale Prüfung im Duell Olafsdottir/Okereke:
Da beide Parteien sich der Dichtkunst in der einen oder anderen Form widmen, sollen sie einen Haiku über die leere des Weltraums schreiben. Sie haben dazu vier Stunden nach Erhalt dieser Nachricht Zeit. Ich werde dann die Haikus den Dichtern in meinem Haus zur Bewertung übergeben und Sie über deren Entscheidung informieren.
Darunter stand nur noch der Zeitindex des Abrufs der Nachricht.
„Welche Ehre.“ stellte Okereke fest. „Der Erz-Gentleman persönlich wacht über den Ausgang unseres Wettstreits.“
„Er ist für seine Strenge und Korrektheit bei solchen Angelegenheiten bekannt. “ ergänzte Olafsdottir. „Wir müssen uns also an die Arbeit machen. Bis später, Botschafter.“
„Bis später, Großadmiralin.“
Beide verließen den Bereitschaftsraum und ließen Edochie und Kronn zurück. Diese sahen sich an.
„Jetzt müssen wir uns vier Stunden lang die Zeit miteinander vertreiben, weil wir einander nicht aus den Augen lassen dürfen, Commander.“
„Richtig, und wir dürfen dabei nur über unverfängliche Dinge sprechen, wie es sich für Geheimdienstoffiziere gehört, Major.“ Sie lächelte.
„Würden Sie mich zum Abendessen begleiten?“
„Sehr gerne.“
Er bot ihr seinen Arm an und Commander Edochie hakte sich ein .